Am Donnerstag, den 30. November 2023, setzte die Volkshochschule (VHS) Weingarten einen würdigen Schlusspunkt unter ihre Veranstaltungsreihe „Klimaschutz und Erneuerbare Energien“: Für den letzten Abend lud sie interessierte Bürgerinnen und Bürger in die Aula der Turmbergschule zu einem spannenden Vortrag des ehemaligen Landrats des Rhein-Hunsrück-Kreises Bertram Fleck ein.
Begeistert und mit spürbarem Eifer für diegute Sache berichtete Fleck, wie sein Landkreis Klimaschutz, Erneuerbare Energien und regionale Wertschöpfung zusammengebracht hat. Noch in den neunziger Jahren galt der Rhein-Hunsrück-Kreis mit seinen gut 105.000 Einwohnerinnen und Einwohnern als strukturschwache Region und konnte alles andere als gute Finanz- und Wirtschaftsdaten vorweisen. Doch dann setzte man auf einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien und nahm parallel dazu Gebäudesanierung und Energieeffizienz der Kreisliegenschaften in Angriff. Unter anderem damit gelang es, die Wirtschaftsdaten auf einen überdurchschnittlichen Wert zu steigern und die öffentliche Verschuldung auf 20 % des Landesdurchschnitts zu senken.
Einen wesentlichen Anteil daran haben zweifellos die mittlerweile 279 Windkraftanlagen, die vor allem zwischen 1995 und 2015 errichtet wurden und heute 300.000 Haushalte mit grünem Strom versorgen. Dass zum einen die Kommunen und ihre Bürgerschaft dank eines Solidarpakts und entsprechender Förderrichtlinien auch finanziell am Ertrag teilhaben, ist ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Allein 7,8 Millionen Euro Pachteinnahmen fließen in die Kassen der Gemeinden – und das Jahr für Jahr. Ein weiterer Grund für die hohe Mitwirkungsbereitschaft am Ausbau der Erneuerbaren ist der Verkauf von Bürgerstrom durch den regionalen Energieversorger seit Mitte 2019.
Neben dem Windkraftausbau nahm sich der Kreis weitere Themenfelder vor. 2.300 realisierte Photovoltaik-Dächer spülen jährlich 20,8 Mio. Euro Einspeisevergütung in den Landkreis, 19 Biomasseanlagen werden von Landwirten teils in Kooperation mit kommunalen Nahwärmenetzen betrieben und nicht weniger als 17 Nahwärmeverbünde versorgen kleinere Gemeinden mit klimaneutraler Wärme aus Waldrestholz, teilweise ergänzt durch Solarthermieanlagen. Ergänzt wird die Klimaschutzoffensive durch begleitende Maßnahmen wie Energiesparkampagnen in der Bürgerschaft oder Förderprogramme der Kommunen für Privatleute, die auf Erneuerbare Energien umstellen wollen. Und auch das Thema Mobilität nahm man sich aktiv vor. In den letzten Jahren wurde ein E-Carsharing-System für Landgemeinden vergleichbar mit dem ZEO Carsharing im Landkreis Karlsruhe aufgebaut.
Unterm Strich hat der Rhein-Hunsrück-Kreis damit Großes erreicht: Mit ca. 1,57 Milliarden kWh im Jahr erzeugt der Kreis heute mehr als das Dreifache seines eigenen Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien. Und er ist in den Bereichen Wärme, Strom und Abfall erster bilanzieller Null-Emissions-Kreis im Binnenland, was einer CO2-Einsparung von 680.000 Tonnen jährlich im Vergleich zu früher entspricht. Gleichzeitig hat er aber auch die regionale Wertschöpfung massiv angekurbelt. Mit einem hohen regionalen Anteil an der Investition in die errichteten Anlagen kam das Auftragsvolumen von mehr als 105 Mio. Euro in den vergangenen zwei Jahrzehnten vor allem dem heimischen Handwerk und der leistungsstarken mittelständischen Wirtschaft der Region zugute. Als eine wesentliche Folge hat sich hier die Landflucht umgedreht und auch die zahlreichen kleinen Gemeinden können sich heute wieder über ein intaktes Dorfleben mit einer soliden Vereinslandschaft und funktionierender Daseinsvorsorge freuen.
Möglich wurde das alles nur durch ein überparteiliches Vorgehen als Gemeinschaftswerk vieler Mitwirkender, wie der Landrat a.D. betonte, der übrigens zumindest vielen Gemeinderatsmitgliedern von Weingarten schon bekannt ist. Bertram Fleck hatte bereits im Oktober 2020 bei der damaligen Klimaschutzwerkstatt über die Entwicklung in seinem Landkreis berichtet. Den Kontakt hatte damals UEA-Geschäftsführerin Birgit Schwegle hergestellt. Dass wir hier noch nicht ganz so weit sind wie der Rhein-Hunsrück-Kreis, ist mit Sicherheit auch mit den wesentlich unterschiedlichen Struktur der beiden Regionen zu erklären: Im Vergleich zum Landkreis Karlsruhe mit seinen 32 Kommunen, darunter immerhin mit Bruchsal, Ettlingen und Bretten drei Großstädte, handelt es sich beim Rhein-Hunsrück-Kreis um eine deutlich ländlicher geprägte Region. Drei Viertel der 137 Gemeinden und Kleinstädten haben weniger als 500 Einwohner, 87 % der Gesamtfläche entfallen auf Wald und Landwirtschaft.
Der ganz offensichtlich für den Klimaschutz glühende Redner bescheinigte dann auch den rund 30 interessierten Gästen, dass man auch im Landkreis Karlsruhe schon auf einem guten Weg sei, den Klimaschutz und die Verbesserung der regionalen Wertschöpfung gemeinsam voranzubringen. Das Klimaschutzkonzept zeozweifrei 2035 des Landkreises nimmt schließlich ebenfalls Ansätze für den Ausbau der Erneuerbaren Energie in den Blick, die nicht zuletzt die Region und ihre Bürgerschaft an den Erträgen klimafreundlicher Energieerzeugung beteiligen.
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