Gemeinsam mit den drei Energieagenturen der Region, Energieagentur Mittelbaden (EAMB), Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur (KEK) und Umwelt- und EnergieAgentur Kreis Karlsruhe (UEA), veranstaltete der Regionalverband Mittlerer Oberrhein (RVMO) am 19. Oktober 2023 eine Infoveranstaltung zu „Perspektiven der kommunalen Energieversorgung in der Region“. Diese bereits vierte jährliche Veranstaltung zu Energiewendethemen vor allem für Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen kommunale wurde wieder aus der Buhlschen Mühle in Ettlingen per Live-Stream ausgestrahlt, erstmals konnten aber ca. 70 Gäste auch vor Ort teilnehmen.
Nach der Begrüßung durch Fabienne Körner, Geschäftsführerin der bei der Vorbereitung federführenden EAMB unterstrich Martin Eggstein, Ministerialdirigent im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, die enorme Bedeutung der Regionen und ihrer Kommunen für das Erreichen der Energiewende. Das Land könne wohl den gesetzlichen und politischen Rahmen schaffen, doch sei die Umsetzung wirksamer Maßnahmen zur Dekarbonisierung nur gemeinsam mit allen Akteuren vor Ort möglich.
Nach dem Grußwort aus dem Ministerium führte RVMO-Verbandsdirektor Dr. Matthias Proske dem interessierten Publikum vor Augen, wie das Landesflächenziel für den Ausbau Erneuerbarer Energien in der Region Mittlerer Oberrhein erreicht werden kann und soll. Dabei nahm er insbesondere den Blickwinkel der Kommunen in der Region ein und wies darauf hin, dass prinzipiell zwar alle Kommunen bei der Mitwirkung gefordert seien, aufgrund unterschiedlicher Randbedingungen aber nicht alle über einen Kamm geschoren werden könnten. So sei beispielsweise in Hügelsheim ein Windkraftausbau faktisch nicht möglich, da die Kommune vollständig in der Einflugschneise des Flughafens Baden-Baden liegt.
In einem zweiten Vortrag beleuchtet Proske dann die Ergebnisse der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung zur „Suchraumkulisse“, also der Planung, wo Flächen für den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik– bzw. Solarthermie-Anlagen ausgewiesen werden sollen. Der Verbandsdirektor demonstrierte, dass man viele Anstrengungen über das gesetzlich geforderte Maß hinaus unternommen habe, um die Bürgerschaft frühzeitig zu informieren und in einem vertretbaren Maß auch anzuhören. Man habe damit auch wertvolle Hinweise erhalten, die in die Planung eingeflossen seien und die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen könnten. Als nächstes stünden nun die Offenlegungen an, die als formelle Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben sind.
Nach der Mittagspause informierte Rainer Bolduan von der EAMB über Status und Strategien in der Kommunalen Wärmeplanung. Er räumte dabei auch ein, dass derzeit nicht zweifelsfrei geklärt sei, wie sich die kommende Bundesgesetzgebung auf die Verpflichtung zur Wärmeplanung insbesondere für kleinere Kommunen in Baden-Württemberg konkret auswirken werde. Zustimmung aus dem Publikum erhielt er aber durchaus für den Appell, aktuell mögliche Fördermittel zu beantragen und die Kommunale Wärmeplanung im eigenen Interesse anzugehen – wenn nicht schon geschehen. Für die betreffenden Kommunen im Landkreis Rastatt wies er auch darauf hin, welche Unterstützung die EAMB dabei leisten könne.
UEA-Geschäftsführerin Birgit Schwegle warf dann einen Blick auf die nächsten wichtigen Schritte nach der Wärmeplanung, nämlich die Umsetzung der skizzierten Maßnahmen zur Erreichung der Wärmewende. Dabei betonte sie wie auch am Vormittag schon der RVMO-Verbandsdirektor, dass für jede Kommune eine individuelle Strategie auf Grundlage der Möglichkeiten vor Ort gefunden, gleichzeitig aber die Einzelstrategien aller Städte und Gemeinden zusammengeführt werden müssten. Die UEA unterstütze dabei schon heute viele Kommunen des Landkreises bei einer entsprechenden Umsetzung. Als „Big Picture“ zeichnete sie dann einen regionalen Wärmeausbau mit der Verknüpfung zahlreicher kommunaler Wärmenetze, die dank der Nutzung von Tiefengeothermie im Oberrheingraben eine echte Chance für die Wärmewende der gesamten Region biete.
In weiteren Vorträgen erläuterten Experten Technologien, die für das Gelingen der Wärmewende in der Region von Bedeutung sein dürften. Den Auftakt machte Prof. Frank Schilling, Professor für Technische Petrophysik am KIT und Leiter des Landesforschungszentrum Geothermie. Er kritisierte die oftmals sachlich falsche Darstellung der vergleichsweise sicheren Technologie zur Nutzung der Wärme aus Tiefengeothermie und untermauerte seinen Appell zu deren Ausbau mit wissenschaftlichen Fakten und aktuellen Forschungsergebnissen. Gleichwohl richtete er in Richtung der Landesregierung den Wunsch, für den unwahrscheinlichen Fall eines entstehenden Schadens an Privateigentum im Umfeld einer Tiefengeothermieanlage in eine Versicherungsbürgschaft einzutreten. Da das Risiko eines Schadensereignisses im Vergleich zu anderen Wärmeerzeugungstechnologien ausgesprochen gering sei, könne das Land dies aus seiner Sicht bedenkenlos tun.
Anschließend stellte Jörg Wickenheißer, Betriebsingenieur bei den Stadtwerken Bühl, am Beispiel eines realisierten Projekts in Gutach im Breisgau die Wirkungsweise eines „bidirektionalen kalten Wärmenetzes“ vor, das sich insbesondere für die Versorgung von Neubaugebieten mit kleinteiliger Bebauung eignet. Überzeugt zeigten sich die Anwesenden vor allem von dem geringen Wartungs- und Betreuungsaufwand, einem angesichts angespannter Personalsituation in den Kommunen durchaus relevanten Faktor. Auch der Blick auf große Solarthermieanlagen von Jörg Dürr-Pucher, Geschäftsführer der Clean Energy GmbH, fand Beachtung. Wie schon die Vorredner betonte allerdings auch Dürr-Pucher, dass „seine“ Technologie nicht die einzig seligmachende sei, sondern die Wärmewende nur im Zusammenspiel aller vor Ort möglichen Teillösungen erreicht werden könne.
Ein informativer Vortrag von Dirk Mangold vom Steinbeis-Forschungsinstitut solites zu Erdbeckenspeicher und ein Überblick von Philipp Vögelin, Industrielle Werke Basel, über die Terra-preta-Erzeugung durch Pyrolyse rundeten das reichhaltige Informationsangebot ab. Für den Ausklang des Tages fanden sich dann der Verbandsdirektor und die drei Geschäftsführungen der Energieagenturen nochmals zu einem Fazit auf dem Podium ein. Die Unterstützung durch die Bundes- und Landespolitik sei weiterhin dringend nötig, um die Wärmewende in den Kommunen vor Ort zu bewerkstelligen. Das betreffe finanzielle Unterstützung, aber auch den organisatorischen und rechtlichen Rahmen, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien tatsächlich beschleunigen zu können. Die Kommunen wiederum hätten eine echte Chance, die Energiewende in ihrem Wirkungsbereich zu schultern, wenn sie sich gut vernetzen und das Prinzip des Lernens vom Besten nutzen.
Die ganze Veranstaltung steht in Kürze als Stream unter https://netzwerkklimaschutz.live zur Verfügung.
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